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          Thursday
                19 April 2007 
              I See You: You See Me 
Öffentlicher Raum und persönliche Medienpolitik 
mit Thomas Lehner, Dorit Margreiter, Barbara Musil,
Georg Ritter, Gunda Wiesner 
            Die Vorstellung des public
              space als open space ist in der Krise.
              Sowohl in ihrer materiellen Bedeutung
              als urbane Zone der Begegnung wie auch
              in ihrer immateriellen Dimension als
              masenmediale Arena der Kommunikation
              ist sie mit einem ökonomischen und
              politischen Druck von Privatisierung
              und Kommerzialisierung konfrontiert.
              Der Idealismus, mit dem der öffentliche  Raum
              heute, nachdem er scheinbar verloren
              ist, nachträglich zum Ort eines
              herrschaftsfreien Diskurses verklärt
              wird, hebelt allerdings weder die Kritik
              an seiner Auflösung noch die Frage
              nach den Potentialen von Alternativen
              zum gescheiterten Modell einer medientechnisch übersetzten
              Agora aus. Schon in den 1970er Jahren
              tauchten vermehrt Konzepte auf, die der
              als manipulativ und repressiv empfundenen
              Praxis der Massenmedien nicht nur eine
              Theorie, sondern auch eine Praxis der
              Aneignung von Produktionsmitteln und
              eine minoritäre Besetzung der geöffneten
              Kanäle entgegensetzten. Freie Radios
              wie das 1976 auf Sendung gehende legendäre Radio
              Alice in Bologna machten situationistisch
              inspirierte Techniken der Subversion
              zum Programm einer Gegenöffentlichkeit.
              Videokollektive wie Paper TV übersetzten ähnliche
              Ideen ins Fernsehen und speisten ab 1981
              das New Yorker Kabelnetz. In Linz schließlich
              formierte sich aus der freien Szene rund
              um das 1979 gegründete autonome
              Kulturzentrum Stadtwerkstatt ein
              loses Team, das 1986 mit der mobilen
              Produktion lustvoller Medien- und Repräsentationskritik
              namens Stadtwerkstatt-TV begann.  
            Vor diesem lokalen Hintergrund war es
              nahe liegend, die Beschäftigung
              mit der Thematik des “öffentlichen
              Raums und einer persönlichen Medienpolitik” mit
              einer historischen Annäherung an
              die Arbeit von STWST-TV zu eröffnen.
              Thomas Lehner und Georg Ritter, zwei
              maßgebliche Protagonisten der ersten
              Stunde, stellten mit Hilfe eines Dokumentar-Videos
              die Programmatik und die wesentlichen
              Entwicklungsstationen dieser gelebten
              Medien-Utopie dar − von den Anfängen
              eines Hotelzimmer-Fernsehens in Wels
              bis zu den internationalen, partizipativen
              Projekten wie in Buffalo 1990 oder einer
              Live-Konferenzschaltung zwischen New
              York, Moskau und Linz 1995. Ausgehend
              von der radikaldemokratischen Forderung
              Enzensbergers an einen emanzipatorischen
              Mediengebrauch, jeden Empfänger
              in einen potentiellen Sender zu verwandeln,
              beschrieb Lehner in seinem Statement
              den Reiz des Fernseh-Machens vor allem
              in seiner kollektiven Dimension. TV sei
              für ihn “genauso ein öffentlicher
              Ort wie der Linzer Hauptplatz” (der
              1987 selbst einmal im Rahmen einer STWST-TV − Aktion
              zum Austragungsort eines Public Viewing
              wurde), während sich Video eher
              als individuelles Phänomen vereinzelt
              umherschweifender Produzenten darstelle.
              Entscheidend sei weniger das Ergebnis
              einer konkreten Sendung als vielmehr
              der Umstand der gemeinschaftlichen Aneignung
              eines Mediums und die Auslotung seiner
              Möglichkeiten. Lehners Kollege Georg
              Ritter ergänzte die Betonung des
              Prozessualen, indem er sich gegen jede
              inhaltliche Fixierung von alternativem
              Fernsehen aussprach. Stattdessen machte
              er sich für den Wert der Kommunikation
              an sich stark und votierte für “mehr
              Kanäle”.  
            Wie eine mögliche Diversifizierung
              medialer Angebote und deren interaktive
              Nutzung aussehen könnte, zeigte
              das ebenfalls von Ritter präsentierte
              aktuelle Projekt Cody-TV. Seit
              2004 arbeitet die Linzer Medieninitiative MATRIX an
              der Idee, eingelangte Videos in dem Black
              Box genannten Internetarchiv zu
              speichern und zu einem “künstlerischen
              und kulturellen Gedächtnis einer
              Region” zusammen zu fassen. Die
              collective dynamics, die im Namen Cody-TV zusammenfallen,
              werden über das Netz gesteuert und
              sollen ab Herbst in ein sowohl user-bestimmtes
              als auch user-generiertes Video on Demand-Programm
              münden. Während der Ausstellungsdauer
              von Video as Urban Condition wurde
              auch die Möglichkeit angeboten,
              analoge Videoformate vor Ort zu digitalisieren
              und so dem wachsenden Archiv zu überantworten. 
            Barbara Musil und Gunda Wiesner, ebenfalls
              zwei Künstlerinnen mit Linzer Hintergrund,
              legten in ihrem Beitrag eine zweite Option
              heutiger kritischer Videopraxis dar.
              Im Unterschied zu den medienpolitischen
              Ideologie der Stadtwerkstatt ging
              es hier aber nicht um den Aufbau einer
              (in wiederholten Stellungnahmen Lehners
              bei heutigen Medienaktivisten schmerzlich
              vermissten und dafür umso heftiger
              von ihnen eingemahnten) autonomen Infrastruktur
              für eine Teil- oder Gegenöffentlichkeit,
              als um eine temporärer Intervention
              in das mediale urbane Gefüge. Die
              von Musil, Wiesner und Bernadette Ruis
              kuratierte Reihe fragmented reassembled transformierte
              zwischen 13. und 16. Februar 2007 die
              mit Wänden aus TV-Geräten bestückte
              Auslage der Linzer Filiale des Unterhaltungselektronik-Konzerns Saturn in
              eine Ausstellungsskulptur für Videokunst.
              Die 60 Werke umfassende Schau zeigte
              täglich ein ca. einstündiges
              Programm von Videos aus den letzten Jahren
              und vollzog, so Musil und Wiesner, eine “Wirklichkeitsstörung” im Übergangsbereich
              zwischen den privaten Werbeauslagen und
              dem öffentlichen Raum der Rezeption,
              der Straße. Die eingeschleusten
              Bilder wurden zusätzlich auch noch
              von voraufgezeichneten Reflexionen einiger
              eingeladenen MedientheoretikerInnen [ignore
              this change if all the speakers were,
              in fact, men] unterbrochen, die im Stil
              von TV-NachrichtensprecherInnen [same
              as above] ihre Überlegungen in die
              Kamera sprachen. Darüber hinaus
              ging es den beiden Künstlerinnen
              aber auch um das Spiel mit dem installativen “Überwältigungseffekt” der übereinander
              getürmten TV-Screens. In der Serienschaltung
              von bestimmten Videos kokettierten die
              Kuratorinnen auch mit der Fähigkeit
              elektronischer Bilder, “große
              Gefühle” zu evozieren. 
            Schließlich verfolgte die Wiener
            Künstlerin Dorit Margreiter in ihrer
            Präsentation einen recherchezentrierten
            Ansatz. Anhand der von ihr präsentierten
            und kommentierten Ausschnitten von Videos
            wie The World May Not Be Deep But it
            is Definitely Wide and Shallow oder The
            She Zone stellte sie den postmodernen
            Umbau von Urbanität und damit den
            Status von öffentlichem Raum im Zeitalter
            der medialen Durchdringung durch die Entertainment-Industrie
            zur Diskussion. Angesichts der Disneyfizierung
            einst als authentisch empfundener Stadtzonen
            erscheint Margreiters Frage “Wie
            formatieren Medien Stadtarchitekturen?” als
            besonders relevant. Die historistische
            Mimesis des public space, wie sie etwa
            in Shopping Malls oder auch in den Gated
            Communities der Besserverdienenden in Szene
            gesetzt wird, kündet nicht vom einem
            Interesse an der Vermittlung von Gegenwart
            und Vergangenheit, sondern von der Verfügbarkeit
            von Stilen in Warenform. Sie verrät,
            wie im Fall der in The She Zone dokumentierten
            einzigartigen Shopping Mall ausschließlich
            für Frauen, den illusionistischen
            Charakter einer zitathaften Architektur,
            die unter Ausblendung realer Konflikte
            Brandscapes statt Landscapes schafft. Oder,
            um es mit den Worten Margreiters zu sagen:
            Die Malls “erzählen von den
            Sehnsüchten nach Übersichtlichkeit
            und Ordnung. Sie erinnern in ihrer Collage
            von verschiedenen Zeitlichkeiten an etwas,
            was es nicht gibt.”
            
              
            
             
            
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